Es gibt das, was man über Flüchtlinge sagt. Und es gibt die Realität. Überall auf der Welt haben fremdenfeindliche Gefühle, Mauern und Stacheldraht in den letzten Jahren stetig zugenommen. Aber wer sind diese Flüchtlinge, die aus ihren Ländern fliehen mussten, um ihr Leben zu retten? Wir haben 10 Punkte gesammelt, um zu versuchen, einige Vorurteile und Klischees zu entkräften über diese Menschen, die gezwungen wurden, alles aufzugeben und alles hinter sich zu lassen, um sich in Sicherheit zu bringen.
1. Flüchtling ist ein rechtlicher Status
Flüchtlinge sind Menschen, die vor Konflikten oder Verfolgung fliehen. Ihr Status wird durch das Völkerrecht definiert und geschützt, und Flüchtlinge dürfen nicht ausgewiesen oder in Situationen zurückgeschickt werden, in denen ihr Leben und ihre Freiheit gefährdet sind. Das Recht, in einem anderen Land Asyl zu beantragen, für diejenigen, die den Schutz ihres eigenen Landes verloren haben, ist in Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Asyl zu beantragen, stellt daher kein Verbrechen dar, sondern ist ein Recht.
2. Die Zahl der entwurzelten Menschen hat sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt
84 Millionen Menschen waren bis Mitte 2021 weltweit entwurzelt, aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen. Ende 2010 lag diese Zahl noch bei rund 41 Millionen. Allein im Jahr 2020 mussten rund 11,2 Millionen Menschen fliehen. Auf der 72. Sitzung des UNHCR-Exekutivkomitees kündigte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi an: "Wenn diese Trends nicht durch nachhaltige Bemühungen zur Konfliktlösung umgekehrt werden, fürchte ich, dass die Frage nicht lauten wird, ob wir die Grenze der 100 Millionen entwurzelten Menschen erreichen werden, sondern wann".
3. Fast die Hälfte der zur Flucht gezwungenen Menschen sind Kinder
Im Jahr 2020 stellten Kinder 30% der Weltbevölkerung. Unter den zur Flucht gezwungenen Menschen machten sie im selben Jahr 42% der Gesamtzahl aus. Kinder sind daher unverhältnismässig stark von Zwangsvertreibung betroffen: Es handelt sich nicht nur um eine oft traumatische Erfahrung, sondern auch die Schulbildung der Kinder wird dadurch unterbrochen, manchmal für lange Zeiträume. UNHCR setzt sich dafür ein, dass Kindern, die für ihr Alter schon zu viel durchmachen mussten, nicht auch noch die Möglichkeit genommen wird, zu lernen und Spass zu haben. Zusätzlich zu denjenigen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, wurden zwischen 2018 und 2020 1 Million Kinder als Flüchtlinge geboren.
4. Es gibt mehr Binnenvertriebene als Flüchtlinge
Während es Ende 2020 weltweit etwas mehr als 26,4 Millionen Flüchtlinge gab, zählte man 48 Millionen Binnenvertriebene, die innerhalb ihres eigenen Landes fliehen mussten. Dies entspricht mehr als der Hälfte der Menschen unter dem Mandat des UNHCR. Die meisten von ihnen befanden sich in Kolumbien (8,1 Millionen), gefolgt von Syrien (6,8 Millionen), der Demokratischen Republik Kongo (5,1 Millionen) und dem Jemen (5 Millionen).
5. Die meisten Flüchtlinge leben in Nachbar- und Entwicklungsländern
Von den Flüchtlingen, also den Menschen, die gezwungen waren, eine Grenze zu überqueren, um sich in Sicherheit zu bringen, lebt fast ein Dreiviertel in einem Land, das an ihr Herkunftsland angrenzt. Entgegen der landläufigen Meinung nehmen die Entwicklungsländer mit 85% die meisten Flüchtlinge auf. Diese Zahl deutet darauf hin, dass die grosse Mehrheit der Flüchtlinge hofft, nach Ende der Krise in ihr eigenes Land zurückzukehren, und dass sie nicht wählen, wohin sie gehen, sondern nur versuchen, in Frieden leben zu können.
Sieben von zehn entwurzelten Menschen, die in den Zuständigkeitsbereich von UNHCR fallen, leben in städtischen Gebieten, und durch die COVID-19-Krise hat sich die Herausforderung, ihnen zu helfen, noch zusätzlich vergrössert. Bei Flüchtlingen in städtischen Gebieten war die Wahrscheinlichkeit, dass sie in den von COVID-19 am stärksten betroffenen Branchen wie dem Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe, der verarbeitenden Industrie und dem Einzelhandel arbeiteten, um etwa 60 % höher als bei der Gastbevölkerung.
Heute befinden sich drei Viertel aller Flüchtlinge weltweit mindestens fünf Jahre lang in einer Situation der erzwungenen Vertreibung. Bei Menschen, die gezwungen sind, innerhalb ihres Landes zu fliehen, ist diese Dauer sogar noch länger. Obwohl die meisten Menschen, die zur Flucht gezwungen wurden, nur auf die Möglichkeit warten, in ihre Heimat zurückkehren zu können, werden sie durch fehlende politische Konfliktlösungen, Gewalt und Instabilität daran gehindert. Um Flüchtlinge und Binnenvertriebene aus einer gewissen humanitären Abhängigkeit zu befreien, unterstützt UNHCR ihre Integration in die lokale Wirtschaft, damit sie einen Beitrag zu ihren Gemeinschaften leisten und ihr Schicksal wieder in die eigenen Hände nehmen können.
Während im Jahr 2020 rund 1,4 Millionen Flüchtlinge darauf warteten, in ein Aufnahmeland umgesiedelt zu werden, konnten nur 34’400 Personen tatsächlich in einem der 21 Länder, die an diesem Programm teilnehmen, neu angesiedelt werden. Diese Umsiedlung wurde durch die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Reisebeschränkungen noch zusätzlich erschwert. Im selben Jahr konnten hingegen mehr als 3,4 Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene in ihr Herkunftsland zurückkehren. UNHCR sucht nach dauerhaften Lösungen vor Ort, wie z. B. die Integration in die Aufnahmegemeinschaft, und sucht, wenn dies nicht möglich ist, nach Neuansiedlungsoptionen.
Entgegen der landläufigen Meinung wird UNHCR überwiegend durch freiwillige Beiträge finanziert. Im Jahr 2020 belief sich der Finanzbedarf von UNHCR zur Deckung der Bedürfnisse von Binnenvertriebenen weltweit auf fast 8,4 Milliarden CHF. Jahr für Jahr wird dieser nur zu etwa 50% gedeckt. Die Zahl der Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, steigt und damit auch die Mittel, die benötigt werden, um ihnen zu helfen und ihre Bedürfnisse zu decken. Für das Jahr 2022 werden fast CHF 8 Milliarden benötigt werden. Jeder Beitrag an UNHCR zählt.
Niemand entscheidet sich aus freien Stücken dafür, ein Flüchtling zu sein. Flüchtlinge sind es aus Not, weil ihre Sicherheit und ihr Leben aufgrund von Verfolgung, Kriegen, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen gefährdet sind. Die Flucht ist die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt. Wie Filippo Grandi betont: "Niemand wird freiwillig zum Flüchtling. Aber der Rest von uns kann sich aussuchen, wie wir ihm helfen".