Mi., 04.05.2022 - 13:35

Hani Abbas ist ein renommierter Karikaturist, der seit 2012 in der Schweiz lebt, nachdem er vor dem Krieg in Syrien geflohen ist. Als Syrer und Palästinenser, der sein ganzes Leben lang den Flüchtlingsstatus hatte, spiegeln seine Kunstwerke seine Geschichte wider. Die Bilder, die er für die erste UNHCR NFT-Auktion geschaffen hat, wurden "Windows" genannt. Dargestellt als offene Fenster sind die Auswirkungen des Krieges auf die Menschen zu sehen. Heute arbeitet Hani bei der Freedom Cartoonists Foundation.

Anlässlich des Welttages der Pressefreiheit 2022 und der Ausstellung Cartooning for Peace, die bis zum 31. Mai am Quai Gustave Ador in Genf zu sehen ist, haben wir diesen Botschafter der Pressefreiheit, der wegen seiner Kunst fliehen musste, interviewt. 

Syrisch-palästinensischer Karikaturist Hani Abbas. © Hani Abbas
Syrisch-palästinensischer Karikaturist Hani Abbas. © Hani Abbas

Hani Abbas, bitte stellen Sie sich kurz vor:  

Ich bin ein syrisch-palästinensischer Karikaturist. Geboren und aufgewachsen bin ich in Yarmouk, einem palästinensischen Flüchtlingscamp in den südlichen Vororten der syrischen Hauptstadt Damaskus. Ich kam 2012 in die Schweiz, als ich mit meiner Familie vor dem syrischen Konflikt floh.  

Meine Arbeiten sind in Le Temps und La Liberté in der Schweiz sowie in der französischen Zeitung Le Monde zu sehen. Ich bin stolz darauf, Mitglied der Organisation Cartooning for Peace zu sein, einem Netzwerk von Pressekarikaturisten, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen.   

Im Jahr 2014 erhielt ich in Genf den Internationalen Preis für redaktionelle Karikaturen.  

 

Das Zeichnen steht im Mittelpunkt Ihres Lebens. Es hat Ihnen Türen geöffnet, aber es scheint, dass es Sie auch vor einige Herausforderungen gestellt hat. Welche Beziehung haben Sie zum Zeichnen?  

Ich habe schon als Kind gerne gezeichnet und habe das Zeichnen immer anderen Aktivitäten vorgezogen. Mein Vater war Maler und hatte eine Menge Malutensilien ... Seit dieser Zeit sind das Zeichnen und die Farben zu meiner Persönlichkeit und Leidenschaft geworden.   

Als ich der Kindheit entwachsen war, begann das politische und soziale Bewusstsein mein Wesen und meine Bilder zu beeinflussen. Das war für mich der Beginn der Karikatur. Die wunderbare Mischung aus Kunst und nationalen und humanitären Botschaften und Ideen schuf eine Art "verrückte Kunst". Mit einfachen Linien konnte man alles sagen. Diese einfachen und wirkungsvollen Linien zu finden, war auch die Herausforderung.    

Später machte der starke Einfluss von Karikaturen die Kunst zur gefährlichsten aller Künste. Und natürlich hatte ich deswegen viele Probleme. Ich hatte Glück, dass ich Syrien nach zwei Jahren Revolution und Krieg verlassen konnte. In manchen Gegenden kann man seine Meinung nicht so einfach äussern und viele haben deshalb ihr Leben verloren.   

Ehrlich gesagt, das Schönste an Karikaturen ist das Gefühl der Herausforderung und die grosse Energie, die ein Karikaturist ausstrahlt.  

  

2014 haben Sie den Internationalen Preis für redaktionelle Karikaturen gewonnen. Was hat das für Sie bedeutet?  

Das war auf jeden Fall ein grosser Moment für mich. Ich hatte nicht erwartet, eine so wichtige Auszeichnung in meinem Leben zu erhalten. Es war unglaublich!   

Dieser Preis hat mir viel Energie gegeben, um weiterzumachen, und mich in meiner Ansicht bestärkt, dass die freie Meinungsäusserung ein kostbares Gut ist, das bewahrt werden muss. Es hat mich sehr gefreut zu sehen, dass dies auch anderen Leuten am Herzen liegt.

 

Letztes Jahr haben Sie das allererste NFT für Flüchtlinge geschaffen, eine Initiative, die von Ihnen, ebenfalls einem ehemaligen Flüchtling, geleitet wurde. Wie trägt die Cartoonkunst dazu bei, die Welt zu einem besseren Ort zu machen?  

Der Gedanke, dass Kunst humanitäre Anliegen unterstützen kann, ist nicht nur wichtig, um Botschaften zu vermitteln. Durch den Verkauf von Gemälden zugunsten hilfsbedürftiger Menschen besteht auch die Möglichkeit einer konkreten Unterstützung. Das ist wichtig und inspirierend.   

Digitale Währungen sind eine neue und schnell zirkulierende Art, und die Idee von Switzerland for UNHCR war wegweisend, indem sie digitale Währungen zur Unterstützung von Flüchtlingen verwendet hat.  Ich bin stolz darauf, Teil dieser tollen Initiative zu sein.   
 

Diese letzte Frage ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ein Flüchtling andere Flüchtlinge unterstützt. Was kann die allgemeine Gesellschaft, namentlich in der Schweiz, tun, um Menschen zu unterstützen, die gezwungen sind zu fliehen?  

Es ist nicht einfach für jemanden, sein Land zu verlassen, den Ort, an dem er geboren wurde, an dem er gelebt hat und wo sein Leben eine Grundlage hatte... Die Menschen verlassen ihr Land gegen ihren Willen, und es gibt viele Gründe dafür. Der schwierigste dieser Gründe ist der Krieg.   

Während Menschen ihr Land verlassen, bleiben ihre Erinnerungen dort... Wenn man an einem neuen Ort ankommt, gibt es wieder Hürden. Aber als Flüchtlinge müssen wir stark sein, zum Wohl unserer Kinder und für das, was wir lieben.   

In der Schweiz habe ich viel Unterstützung und Aufmerksamkeit bekommen, und ich bete immer, dass alle Flüchtlinge Unterstützung bekommen. Alle Länder sind schön, wenn wir als Besucher in sie einreisen, aber es wird schwierig, wenn wir als Flüchtlinge kommen. Ein neuer Ort, eine neue Sprache, eine andere Kultur. Viele Dinge machen diese Erfahrung zu einer Herausforderung.   

Wenn wir zusammenarbeiten, können wir die Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.