Mi., 15.03.2023 - 15:00

Während die Situation in Syrien zunehmend aus der öffentlichen Debatte und den Medien verschwindet, bleibt das Land mit 6,8 Millionen gewaltsam vertriebenen Menschen im ganzen Land und 6,8 Millionen Flüchtlingen, die vor allem in der Türkiye, im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten Schutz suchen, die grösste Vertreibungskrise der Welt. Der Konflikt und die Katastrophe dauern seit mehr als einem Jahrzehnt an, und für diejenigen, die im Land geblieben sind, ist das Leben seit dem tragischen Erdbeben im Februar 2023 in der nördlichen Region noch schwieriger geworden.  

Tägliches Leid inmitten von Konflikt und Vertreibung

Es ist schwer vorstellbar, sein ganzes Leben inmitten von Konflikten oder Vertreibung zu verbringen. Während alle Eltern ihren Kindern eine möglichst glückliche und unbeschwerte Kindheit bieten wollen, können die Menschen aus Syrien ihren Familien nicht die gleichen Bedingungen garantieren. Viele leben unter sehr schwierigen Bedingungen, in Armut und in behelfsmässigen Unterkünften, was ihre Situation in den kälteren Monaten noch komplizierter macht. Tatsächlich sind 15,3 Millionen Menschen, also fast 70 Prozent der syrischen Bevölkerung, auf humanitäre Hilfe angewiesen. 

Bis zum Jahr 2023 steckt das syrische Volk weiterhin in einer tiefgreifenden humanitären, politischen, militärischen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Krise von grosser Komplexität und fast unvorstellbarem Ausmass fest,

Geir Pedersen, UN-Sondergesandter für Syrien

Viele Menschen mussten in Notunterkünfte fliehen, nachdem ihre Häuser durch das Erdbeben eingestürzt waren. © UNHCR/Saad Sawas
Viele Menschen mussten in Notunterkünfte fliehen, nachdem ihre Häuser durch das Erdbeben eingestürzt waren. © UNHCR/Saad Sawas

Nirgendwo zu Hause 

Im Laufe der Jahre wurden Millionen von Menschen innerhalb der Landesgrenzen und in die Nachbarländer vertrieben, und viele wussten nicht, wohin sie wirklich gehören. Diese Familien konnten aufgrund von Unsicherheit oder Verfolgung nicht mehr in Syrien bleiben. Wenn sie jedoch ins Ausland gehen, landen sie oft in Flüchtlingscamps und sind völlig auf Hilfe von aussen angewiesen. Das Leben ist ein täglicher Kampf für mehr als 1 Million syrische Flüchtlinge, die über wenig oder gar keine finanziellen Mittel verfügen. Im Libanon leben 9 von 10 syrischen Flüchtlingen in extremer Armut und in Jordanien leben 4 von 5 syrischen Flüchtlingen unter der nationalen Armutsgrenze und müssen mit etwa 3 CHF pro Tag auskommen.

Der Zugang zu Bildung wird schwierig 

Da sie ständig auf der Flucht sind, werden viele Kinder aus der Schule gerissen, so dass ihnen in den meisten akademischen Fächern zunehmend Grundkenntnisse fehlen. Bildung ist zwangsläufig in der Prioritätenliste nach hinten gerückt, da die Familien Nahrung und Unterkunft den Vorrang geben. Die Zukunft ganzer Generationen ist daher stark gefährdet. Für die Jüngeren ist es von entscheidender Bedeutung, eine Schule zu besuchen, in der sie auch soziale Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen können, um ihre geistige Gesundheit zu erhalten und ihrem Alltag zu entfliehen.

Im Osten Syriens nimmt eine Klasse von vertriebenen Kindern den Unterricht in einer Schule wieder auf.  © UNHCR/Vivian Toumeh
Im Osten Syriens nimmt eine Klasse von vertriebenen Kindern den Unterricht in einer Schule wieder auf. © UNHCR/Vivian Toumeh

Rechte von Frauen und Mädchen in Gefahr 

Die Rechte von Frauen und Mädchen sind stark gefährdet, da ihr Zugang zu den für ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit wichtigen Diensten drastisch eingeschränkt wurde und zu den versteckten Opfern des seit 12 Jahren andauernden Konflikts gehört. Auch die Zahl der geschlechtsspezifischen Gewalt und der Kinderheiraten nimmt zu. Da viele Männer aufgrund des Konflikts fehlen, werden viele Haushalte nur von Frauen geführt, die besonders gefährdet sind, da sie sich den täglichen Bedarf für ihre Kinder nicht leisten können. Ausserdem können sie ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen, um sich einen Arbeitsplatz zu suchen.

UNHCR unterstützte Shukran, Mutter von 3 Kindern, in ihrem Geschäft, um für ihre Kinder zu sorgen. © UNHCR/Vivian Toumeh
UNHCR unterstützte Shukran, Mutter von 3 Kindern, in ihrem Geschäft, um für ihre Kinder zu sorgen. © UNHCR/Vivian Toumeh
Eine bereits schwierige Situation, die durch das Erdbeben noch verschlimmert wurde 

Das jüngste Erdbeben in der Region Syrien-Türkiye traf das Land zu einem Zeitpunkt, an dem die Bedürfnisse der Bevölkerung bereits am grössten, die Wirtschaft am niedrigsten und ein Grossteil der Infrastrukturen bereits stark beschädigt waren. Während viele Syrer, die zurückgeblieben sind, inmitten von Chaos und Gewalt um ihr Leben kämpften, hat diese Naturkatastrophe ihnen eine weitere Last aufgebürdet. Diejenigen, die an der türkischen Grenze vertrieben wurden und versuchen, das verlorene Leben wieder aufzubauen, sind nun gezwungen, noch einmal von vorne anzufangen. 

Angesichts der anhaltenden Situation in Syrien ist es wichtig, die Notlage der syrischen Bevölkerung nicht zu vergessen. Jeder Mensch, der zur Flucht gezwungen ist, verdient die Unterstützung und Solidarität der internationalen Gemeinschaft.

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