Mo., 27.06.2022 - 11:30

Am 8. Mai 2022 fand in Bern zum zweiten Mal das Schweizer Flüchtlingsparlament statt. Das Ziel dieser Veranstaltung? Flüchtlingen eine Plattform zu geben, um zu debattieren und auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen, die sie aus eigener Erfahrung aus nächster Nähe kennen. Wir haben uns mit Anja Klug, der Büro Cheffin des UNHCR-Büros für die Schweiz und Liechtenstein, getroffen, damit sie uns mehr darüber erzählt.

Was ist das Schweizer Flüchtlingsparlament?  

Das Flüchtlingsparlament in der Schweiz ist eine Institution von Flüchtlingen zur Entwicklung von Empfehlungen für die Schweizer Politik.   

Wie wichtig ist eine solche Plattform, welche Flüchtlingen die Teilnahme an politischen Debatten ermöglicht?  

Es ist sehr wichtig, dass Flüchtlinge sich zu den Themen, die sie betreffen, äussern wollen. Oft fehlen Flüchtlinge am Diskussionstisch. Sich auf diese Weise zu organisieren und sich zusammenzusetzen, ermöglicht es Flüchtlingen eine stärkere Stimme zu haben, die von Politikern gehört werden kann. Der Prozess in sich ist auch wichtig. Die Flüchtlinge haben über viele der Themen diskutiert, eine Prioritätenliste erstellt und eine Priorisierung vorgenommen. Sie haben ein demokratisches Verfahren durchlaufen, um die wichtigsten Themen zu identifizieren und Empfehlungen zu entwickeln. Dies ist auch eine gute Übung in demokratischer und staatsbürgerlicher Kultur.  

Glauben Sie, dass die Tatsache, dass die Teilnehmer Flüchtlinge sind, den Debatten eine andere Dimension verleiht?  

Die Teilnehmer sind alle Flüchtlinge und es ist sicherlich eine Initiative, die es ermöglicht, Empfehlungen zu geben und einen Dialog mit Parlamentariern sowie auch mit Schweizer Behörden zu beginnen. Ich halte dies für eine sehr gute Idee und wir haben bereits nach der ersten Ausgabe des Parlaments gesehen, dass die Teilnehmer Treffen mit Schweizer Parlamentariern hatten, um ihre Empfehlungen vorzustellen. Es gibt also einen ganzen Prozess der nachträglichen Bearbeitung, der den Mehrwert dieser Veranstaltung zeigt.   

Können Sie uns Beispiele für Vorschläge nennen, die aus dieser Veranstaltung hervorgegangen sind? 

Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die für sie wichtig sind, eines davon war zum Beispiel die vorläufige Aufnahme, die sie sehr stark betrifft. Sie haben insbesondere auf die Unsicherheit dieses Status und auch auf die Einschränkungen der damit verbundenen Rechte hingewiesen. Ich finde es sehr wichtig, dass ihre Stimme zusätzlich zu der von UNHCR und der NGOs, die bereits seit Jahren darauf aufmerksam gemacht haben, zu hören ist. Ihre Stimme ermöglicht es, mit konkreten Beispielen aus ihrem Leben zu zeigen, wie schwierig es ist, diesen Status zu erhalten.   

Wie können diese Themen für die breite Öffentlichkeit, aber auch für die Politik sichtbar werden?  

Die Tatsache, dass dieses Parlament stattfindet, verleiht bereits eine gewisse Sichtbarkeit, es sind im Nachhinein Artikel ebenso wie Auftritte im Fernsehen erschienen. UNHCR hat zusammen mit anderen Akteuren die Flüchtlinge unterstützt und auch versucht, die Medien auf dieses Ereignis aufmerksam zu machen und zu zeigen, wie wichtig es ist, einen Prozess wie diesen zu haben.   

Welche Bilanz ziehen Sie nach zwei Ausgaben?    

Ich fand schon die erste Ausgabe sehr gut organisiert und vorbereitet, die Teilnehmer sehr diszipliniert und die Empfehlungen gut formuliert. Die zweite Ausgabe war noch besser, man hat gesehen, wie die Gruppe an Erfahrung gewonnen hat und auch, wie sie aus ihren Kontakten mit den Parlamentariern lernen konnten. Das Ideal wäre jetzt, dass die Empfehlungen weiterverfolgt werden und jedes Jahr eine Parlamentssitzung stattfindet. Das ist nicht einfach, weil die Organisation hinter dieser Veranstaltung nur über wenig Ressourcen verfügt. Wir haben eine kleine finanzielle Unterstützung für die Veranstaltung bereitgestellt, aber diese Frage könnte eine Herausforderung darstellen und ich hoffe, dass sie über ausreichende Mittel verfügen werden. Dieser Prozess ist sehr bedeutsam und wenn er jedes Jahr stattfindet, kann er sich zu einer Institution etablieren, die auf politischer Ebene ernst genommen wird. 

Welche Rückmeldungen haben Sie von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erhalten ? Und von der Politik ?  

Es handelt sich nicht um Feedback im eigentlichen Sinne, denn es war keine Veranstaltung, die wir organisiert haben. Ich wurde eingeladen und war sehr froh, dass ich dies auf diese Weise miterleben konnte. Ich habe mit einigen der Flüchtlingen gesprochen, die teilgenommen haben, und sie waren sehr froh, dass sie die Möglichkeit hatten, dieses Parlament zum zweiten Mal zu organisieren, weil anfangs nicht klar war, ob es sich nur um eine einmalige Veranstaltung handelte oder ob es etwas sein würde, das wiederholt wird.