Eines der Ziele der Gründung der Schweizer Stiftung für das UNHCR, Switzerland for UNHCR, ist es, in der Schweiz das Bewusstsein für die Notlage entwurzelter Menschen zu schärfen. Die Stiftung feierte vor einigen Monaten ihr einjähriges Jubiläum, und obwohl es wenig zu feiern gibt, ist eine Möglichkeit, diesen Anlass zu begehen, der Start einer Artikelserie, in der lokale Akteure vorgestellt werden, die sich für Flüchtlinge engagieren: Die Engagierten. Für unseren fünften Artikel haben wir uns mit Elody de Brito getroffen, der Leiterin des Genfer Büros von SINGA Schweiz, einem Verein, der Menschen mit Migrationshintergrund, inklusive Flüchtlinge, bei der Entwicklung unternehmerischer Projekte unterstützt.
SINGA Schweiz
Stellen Sie uns SINGA Schweiz vor
SINGA ist eine gemeinnützige Organisation, die ursprünglich 2012 in Paris gegründet wurde. Heute sind wir in 7 Ländern und über 20 Städten vertreten. SINGA Schweiz wurde 2016 in Zürich gegründet und ist seit 2018 auch in Genf vertreten. Der Verein unterstützt Menschen mit Asyl- und Migrationshintergrund, die eine Geschäftsidee haben und diese in der Schweiz verwirklichen möchten.
Was können ihre Begünstigten erwarten?
Das Ziel unserer Aktivitäten is es das Unternehmertum inklusiver zu machen. Wir bieten unseren SINGApreneuren, wie wir die Teilnehmer unserer Programme nennen, einen Zugang zu einem lokalen Netzwerk von Experten und einem unternehmerischen Grundwissen, um ihnen dabei zu helfen ihre Ideen zu entwickeln. Wir bringen ihnen das Vertrauen, um loszulegen.
Als erster Schritt haben die Teilnehmer Zugang zum SINGA-Ideation lab, das darauf abzielt, die vorgeschlagenen Ideen der Unternehmer zu testen, sie mit der Realität zu konfrontieren und sie zu konkretisieren.
Anschliessend treten die SINGApreneure, deren Projekte ausgewählt wurde, in eine zweite Phase ein, die vier Monate lang dauert: die SINGA-Factory. Hier bereiten wir den Start der Aktivität vor und gehen mehr auf die technischen Aspekte ein: Kommunikation, Angebot, Marketing, Partnerschaften und rechtliche Aspekte zum Beispiel. In dieser Phase soll ein erster Prototyp entwickelt werden. Alle unsere SINGApreneure werden einem Mentor aus der Privatwirtschaft oder dem Unternehmertum zugewiesen. Dieser begleitet sie in der ganzen Entwicklung und unterstützt sie durch seine Erfahrung und Fachwissen. Dies ermöglicht den SINGApreneuren ein aufmerksames und expertes Ohr an ihrer Seite zu haben, Unterstützung bei Momenten der Entscheidungsfindung, und Kontakte, die ihnen Zugang zu einem breiteren Netzwerk in der Schweiz verschaffen.
Diese beiden Phasen dauern insgesamt sechs Monate. Zurzeit begleiten wir 12 Unternehmer bei ihrer Projektentwicklung, und 8 von ihnen werden ihre Betreuung im Oktober dieses Jahres beenden. Unsere Unterstützung geht aber darüber hinaus: durch SINGA Business, eine Plattform, die es ihnen ermöglicht, von dem SINGA-Netzwerk zu profitieren und Zugang zu Workshops und Beratung zu erhalten unterstützen wir sie weiter.
Mit welchen Partnern arbeiten Sie dabei am häufigsten zusammen?
Unser grösstes Gut, neben der Zusammenarbeit mit leidenschaftlichen Unternehmern, ist unser Netzwerk. Wir arbeiten mit mehr als 250 Experten und rund 20 Organisationen aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen. Ihre Unterstützung kann in Form von Mentoring, Workshops oder als Türöffner über ihre Netzwerke erfolgen. All diese Unterstützung ist für unsere SINGApreneure ein enormer Vorteil, auf einen solchen Rahmen zählen zu können.
In Genf haben wir unseren Sitz im Impact Hub und befinden uns damit im Zentrum eines innovativen und dynamischen Netzwerks. Zu unseren Partnern gehören Deloitte Schweiz, die fondetec, oder noch der Verein "Découvrir", der hochqualifizierte Migrantinnen in Genf unterstützt.
Gewisse öffentliche Einrichtungen wie das Hospice Général gehören von Anfang an zu unseren Partnern. Wir können feststellen, dass in vielen Bereichen das Unternehmertum zunehmend als praktikable Lösung angesehen wird und eine Möglichkeit darstellt, Ideen zu testen und die Fähigkeiten und die Vermittelbarkeit von Flüchtlingen oder Migranten zu präsentieren. Auch die lokalen Behörden sind sehr an unseren Projekten interessiert, da sie sich deren Auswirkungen bewusst sind.
Die SINGA-Programme in Genf werden von zahlreichen Stiftungen unterstützt, unter anderem vom Migros-Pionierfonds.
Woher kam die Idee zu SINGA?
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei SINGA um ein internationales Netzwerk. Jeder SINGA-Verband ist unabhängig, hat aber die gleichen Werte und das gleiche Gesellschaftsprojekt. Die Idee ist, dass sich jede Organisation an ihre lokalen Gegebenheiten anpasst und gleichzeitig von der Vielfalt des SINGA-Netzes profitiert. Was uns alle verbindet, ist diese Vision einer inklusiven Gesellschaft, die Migration als eine Gelegenheit sieht, und konkrete Lösungen für die Integration der Flüchtlinge anbietet.
Unser erster Gedanke war also, herauszufinden, welchen Mehrwert wir in der Schweiz bieten können. In der Tat gibt es in Genf bereits viele Organisationen, die zum Beispiel in Bezug auf Unternehmertum, Integration und Vielfalt sehr kompetent sind. Wir sahen jedoch einen Bedarf in der Tatsache, dass viele Flüchtlinge, Asylsuchende oder Menschen von anderen Migrationsrouten in der Schweiz leben, wertvolle berufliche Fähigkeiten, manchmal auch erfolgreiche unternehmerische Erfahrung haben. Sie sind voller Ideen und Motivation, aber stossen oft auf viele Hindernisse um ihre Projekte zu verwirklichen.
Sie haben einen frischen Blick auf die Schweizer Unternehmenslandschaft und sehen Antworten auf ungedeckte Bedürfnisse. Sie bei der Verwirklichung dieser Ideen zu unterstützen ist, unserer Meinung nach, eine Gelegenheit für die Schweizer Wirtschaft, und wir engagieren uns, diese Ideen zu fördern.
Welches sind Ihre zukünftigen Projekte?
Wir sind sehr gespannt auf ein online Toolkit, das wir gerade entwickeln, und das allen Organisationen gratis zur Verfügung stehen, die unsere Programme nachahmen möchten. SINGA ist oft eine Brücke zwischen der Welt des Gastgewerbes und der Welt des Unternehmertums, so dass dieses Toolkit helfen würde, mehr Brücken zu bauen. Eine erste Version dieses Toolkits ist bereits hier verfügbar.
Eine besondere Erinnerung?
Kürzlich haben wir Sadettin Karatas unterstützt, ein Unternehmer, der mit uns ein Projekt für den Import hochwertiger Nüsse und Trockenfrüchte aus der Türkei in die Schweiz entwickelt hat. Die Idee kam ihm, da er selbst diese Produkte sich und seinen Kindern nicht leisten konnte, weil sie so teuer waren. Wir haben ihn vor kurzem in seinem Lager besucht, und es war grossartig zu sehen, wie diese Idee entwickelt und umgesetzt wurde: wie sein Geschäft erfolgreich geworden ist. Sein tägliches Leben hat sich völlig verändert, und er hat nun auch eine Finanzierung durch die fondetec erhalten. Es war ein grossartiger Moment, das Ergebnis von mehr als einem Jahr Arbeit zu sehen.
Warum dieses Engagement?
Was mich immer wieder freut und was mich persönlich motiviert, ist, dass die Aufgabe unserer Organisation viel Sinn und Menschlichkeit mit sich bringt. Auf der Seite der Unternehmer, sehen sie, schliessen sie sich einer Gemeinschaft an, die ihnen bei diesem Abendteuer zur Seite steht und ein Sicherheitsnetz repräsentiert. Von der Seite der Mentoren, der Aktivitätsleiter, und unserer Partner, sind sie extrem motiviert, ihr Fachwissen zu teilen um die Projekte unserer SINGApreneure zu unterstützen. Wissen, das einmal geteilt wurde, vermehrt sich.
In der Schweiz haben wir zur Gründung von 16 Unternehmen beigetragen in den Bereichen Gastronomie, Technologie, Wellness und Einzelhandel. Die meisten davon werden von Frauen mit Familien geführt, und daher können wir sehen, wie diese Projekte auf die Menschen und ihr Umfeld einwirken. Es ist mir eine Freude und Ehre, diese Aufgabe täglich zu unterstützen!
Welchen Rat würden Sie denen geben, die sich engagieren wollen, aber nicht wissen, wie?
Das Engagement kann auf vielen Ebenen erfolgen. Es ist wichtig, mit dem zu beginnen, was man hat, und mit was man kennt: mit seinen Fähigkeiten. Danach geht es darum sich mit motivierten Menschen zu umgeben, die dieselben Werte teilen. Sich auf das zu konzentrieren, was man gut kann, und sich mit den richtigen Leuten zu umgeben, ist das Rezept für ein erfolgreiches Engagement. Es geht darum, zu wissen, weswegen und für wen man sich engagiert, und seine Zielgruppe zu kennen, um sein Projekt zu steuern und dessen Wirkung zu gewährleisten. Letztlich geht es darum, sich seiner Grenzen bewusst zu sein aber vor allem Freude daran zu haben. Have fun on the way!