Mo., 01.07.2024 - 08:02
Die Kämpfe im Sudan dauern nun schon seit mehr als einem Jahr an. Immer mehr Gräueltaten kommen ans Licht, und die Zivilbevölkerung leidet. 9 Millionen Menschen mussten bereits ihre Heimat in dem ostafrikanischen Land verlassen und an einem anderen Ort Zuflucht suchen. Damit stossen auch die Nachbarländer an ihre Grenzen. UN-Hochkommissar Filippo Grandi hat erneut sudanesische Flüchtlinge besucht und ist schockiert über die humanitäre Lage. Er ist davon überzeugt, dass nur der Frieden Linderung bringen kann.  

9 Millionen Menschen sind seit Ausbruch des Krieges im April 2023 bereits vertrieben worden. Damit ist der Sudan die weltweit drängendste Vertreibungskrise, wie UNHCR kürzlich in seinem Global Trends Report 2023 feststellte. 

UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi besuchte kürzlich Flüchtlingslager und Vertreibungszentren in Kosti im sudanesischen Bundesstaat Weisser Nil, wo seit Beginn der Kämpfe über eine Million Menschen Schutz gesucht haben. Es war sein zweiter Besuch im Sudan seit Ausbruch des Krieges. Das Ausmass des Leids sei unvorstellbar, so Grandi: "Der Sudan ist die Definition eines perfekten Sturms: schockierende Menschenrechtsverletzungen, Millionen von Menschen, die durch diesen wahnsinnigen Krieg und andere Kriege, die ihm vorausgingen, entwurzelt wurden. Es droht eine schreckliche Hungersnot, und schwere Überschwemmungen werden die Hilfslieferungen bald noch mehr behindern. Wir verlieren eine ganze Generation an diesen Krieg, und die Friedensbemühungen funktionieren nicht.“ 

In der Tat leben die Vertriebenen in überfüllten Flüchtlingslagern, ehemaligen Schulen und anderen Behelfsunterkünften unter miserablen Bedingungen, bedroht von Krankheiten. 

Auch die Aufnahmeländer brauchen dringend Hilfe

Besonders besorgt ist UN-Hochkommissar Grandi über die eskalierende Gewalt in El Fasher in Nord-Darfur. Auch aus dem Bundesstaat Al Dschazira wurden weitere Gräueltaten gegen Zivilisten gemeldet. Grandi sagte, dass viele Zivilpersonen in den Konfliktherden festsitzen und nicht in der Lage sind, sich in Sicherheit zu bringen: "Die Zivilbevölkerung hat diesen Krieg nicht begonnen, aber sie zahlt den Preis dafür. Die Kriegsparteien müssen aufhören, sie ins Visier zu nehmen, und den Gemeinden, die lebensrettende Hilfe benötigen, unverzüglich humanitären Zugang gewähren", sagte Grandi.

2 Millionen Menschen (etwa die gesamte Bevölkerung der französischen Schweiz/Romandie) haben in den Nachbarländern Schutz gesucht, vor allem im Tschad, in Ägypten und im Südsudan. Dies stellt diese Aufnahmegemeinschaften vor grosse Probleme. UNHCR ruft dringend zu internationaler Unterstützung auf, da die humanitäre Krise im Osten des Tschad einen kritischen Punkt erreicht hat. In der Stadt Adre beispielsweise, in der ursprünglich 40'000 Menschen lebten, hat sich die Einwohnerzahl nun versechsfacht. Überfüllte und unhygienische Verhältnisse haben dort zu einer schweren Gesundheitskrise geführt: Es wurden über 1'200 Fälle von Hepatitis E gemeldet, darunter drei Todesfälle. Die bevorstehende Regenzeit, die zwischen Juni und September erwartet wird, droht diese Krise zu verschärfen und könnte zu Ausbrüchen von durch Wasser übertragenen Krankheiten wie Cholera führen. Auch die Sicherheit gibt zunehmend Anlass zur Sorge, da es immer häufiger zu Plünderungen, Vandalismus in humanitären Einrichtungen und Drogen- und Alkoholschmuggel kommt. Tragischerweise wurde zudem kürzlich ein Flüchtlingsmädchen durch eine verirrte Kugel getötet. 

"Militärische Führer müssen den Frieden zur Priorität machen"

Standorte sind mit grundlegenden Dienstleistungen und Infrastrukturen ausgestattet, darunter Unterkünfte für Familien, mobile Kliniken, Wasserstellen, sanitäre Einrichtungen und Bildungseinrichtungen, die als temporäre Lernorte bekannt sind. Diese Bemühungen reichen jedoch nicht aus, um den überwältigenden Bedarf zu decken. 

UN-Hochkommissar Filippo Grandi lobte die Grosszügigkeit der Gastgemeinden bei der Aufnahme der Geflüchteten und forderte die internationale Gemeinschaft auf, ihre eigene Unterstützung für die humanitäre Hilfe fortzusetzen und zu verstärken. Wenn die Kämpfe im Sudan nicht aufhörten, würden noch viel mehr Menschen die Grenzen überqueren. Dies würde die humanitäre Krise drastisch verschlimmern, ist Grandi überzeugt. "Die militärischen Führer und diejenigen, die Einfluss auf sie haben, müssen den Frieden zur Priorität machen. Andernfalls werden die Menschen weiter in die Nachbarländer wie den Tschad und den Südsudan fliehen. Diese Länder haben gerade erst ihre eigenen Konflikte überwunden und sind einfach nicht in der Lage, Millionen zusätzlicher Personen zu ernähren und unterzubringen. Die Stabilität in der Region steht auf dem Spiel.“