Do., 06.05.2021 - 12:00

Eines der Ziele  der Gründung der Schweizer Stiftung für das UNHCR, Switzerland for UNHCR, ist es, in der Schweiz das Bewusstsein für die Notlage entwurzelter Menschen zu schärfen. Die Stiftung feiert nun ihr einjähriges  Jubiläum, und obwohl es wenig zu feiern gibt, ist eine Möglichkeit, diesen Anlass zu begehen, der Start einer Artikelserie, in der lokale Akteure vorgestellt werden, die sich für Flüchtlinge engagieren: Die Engagierten. Für unseren zweiten Artikel haben wir die beiden Co-Direktoren des Verbands Un Monde Meilleur (Eine bessere Welt) getroffen.

Die Engagierten : Un Monde Meilleur

Der Verein Un Monde Meilleur wurde 2019 aus dem Wunsch heraus geboren, Kindern und Jugendlichen durch Kunst die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) näher zu bringen, sowie lokale Akteure hervorzuheben, die sich für diese Ziele engagieren. Wir haben die Gründerin des Vereins Valérie Martinez getroffen, sowie Isabelle Muller, mit der sie sich die Funktion der Leitung teilt.

Präsentieren Sie uns Ihr Verein:

Valérie: Die Idee zu diesem Verein kam mir im Jahr 2019. Man wird oft mit dramatischen Informationen aus allen Ecken der Welt überflutet Unser Verein will zeigen, dass es möglich ist, auch auf lokaler Ebene zu handeln, um diesen Trend auszugleichen. Es geht darum, konkrete Beispiele von Menschen zu geben, die sich für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in ihrer Umgebung engagieren. Das ermöglicht es den Menschen, den Kopf aus dem Sand zu ziehen, sich bewusst zu werden, was um sie herum geleistet wird, und einen Anstoss zu geben, eine echte Solidaritätsbewegung zu starten.

Isabelle: Wir haben uns entschieden, unsere Botschaft durch Kunst zu vermitteln. In der Tat sind es heute die Kinder, die jungen Generationen, die am stärksten von den Zielen der nachhaltigen Entwicklung betroffen sind. Allerdings können diese Ziele manchmal abstrakt oder ein wenig kompliziert erscheinen. Kunst als pädagogisches Instrument ermöglicht es uns, diese Hürde zu überwinden, und erlaubt es Kindern, sich die Ziele der nachhaltigen Entwicklung auf konkrete und interaktive Weise anzueignen.

Wie kommen Sie auf Ideen, und wie setzen Sie diese in Projekte um?

Valérie: Wir stecken beide voller Ideen. Die Herausforderung besteht darin, die Zeit zu finden, sie alle umzusetzen: Keine von uns will sich einschränken!

Isabelle: Alles, was wir in diesem Verein machen, ist zugunsten der jüngeren Generation. In diesem Sinne neigen wir dazu, jedes Mal, wenn sich eine Gelegenheit für die Jüngeren ergibt, zuzugreifen. Wir befinden uns an einem Punkt in der Geschichte der Menschheit, in dem wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Wir können nicht 2 Jahre lang über solche Projekte diskutieren, wir müssen jetzt handeln, und zwar effektiv.

Das Team des Vereins Un Monde Meilleur. ©G.Pestalozzi
Das Team des Vereins Un Monde Meilleur. ©G.Pestalozzi

Warum engagieren Sie sich? 

Valérie: Es geht wirklich darum, sich auf Lösungen zu konzentrieren und Motivation bei jungen Menschen zu erwecken, um zu zeigen, dass es noch nicht zu spät ist und dass wir durch gemeinsames Handeln eine Menge erreichen können.
 
Für mich ist es eine Leidenschaft, mich zu engagieren; in gewisser Weise habe ich mir meinen Traumjob geschaffen. Es ist klar, dass es nicht jeden Tag einfach ist, aber mein Engagement ist für mich offensichtlich - Ich wäre traurig, es nicht zu tun.

Isabelle: Wenn man sich Bewusst wird, was wir als Menschheit hier gerade durchleben, und unseren Kindern hinterlassen, ist das genug, um sich zu empören. Wie konnten wir so viel Zeit verstreichen lassen, ohne zu handeln, und uns heute in solch einer Notlage befinden? Dieses Gefühl der Frustration ist aber auch die treibende Kraft, nicht zu viel Zeit zu verschwenden, vor allem, wenn wir an etwas arbeiten, das schon zu oft aufgeschoben wurde.

In der Tat haben Valerie und ich beide einen Vollzeitjob, und ich muss mich auch noch um meine Kinder kümmern. Aber auch für sie engagiere ich mich: Es ist mehr als eine Mission, es ist  die Vision einer Lebensweise, die ich ihnen vermitteln möchte. Ich möchte beweisen, dass Engagement keine Grenzen hat, dass Engagement per Definition immer vollständig ist. Natürlich würden wir beide gerne mehr in den Verein investieren und in diesem Sinne arbeiten wir daran, die nötige Zeit zu schaffen, um uns noch mehr zu engagieren.

Gibt es eine Erfahrung in ihrem Engagement, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Isabelle: Es gibt so viele! Wenn ich an die Rückmeldungen von Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern zu den Workshops denke, die wir mit Hani Abbas, einem syrischen Pressekarikaturisten und Flüchtling, der von der Freedom Cartoonist Foundation unterstützt wird, durchgeführt haben, ist das Bewusstsein so gross, dass man erstaunt ist, wie viel Veränderung möglich ist. Ein Highlight war auch unsere Fotoausstellung auf dem Quai Gustave Ador von 17 Genfer Persönlichkeiten, die sich täglich für eines der 17 SDGs einsetzen.

Valérie: Am Anfang, war ich drei Tage lang zu Hause mit dieser Idee, die nicht verschwinden wollte, und als ich damit begann, Leute auf dieses Projekt anzusprechen, sagten sie mir "aber du bist ganz allein, es ist ein riesiges Projekt, es wird schwierig sein". Im Grunde genommen haben mich diese Kommentare überhaupt nicht entmutigt. Wenn man eine Idee hat und  sein Herzblut reinsteckt, wenn man an sich glaubt und es um das Gemeinwohl geht, muss man hartnäckig sein.

Zeichnung von Hani Abbas, einer der Künstler mit dem der Verein Workshops veranstaltet. ©HaniAbbas
Zeichnung von Hani Abbas, einer der Künstler mit dem der Verein Workshops veranstaltet. ©HaniAbbas

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der sich engagieren möchte ?

Valérie: Ich bin wirklich erstaunt, überall Menschen zu sehen, die voller Motivation und Energie für diese Art von Projekten sind. Es ist recht wunderbar, all diese Menschen zu sehen, die agieren, sich engagieren und sich selbst sagen können: «Ja, es ist möglich. Wir können es schaffen». Das ist die Botschaft, die wir vor allem an Kinder weitergeben wollen: Wenn man eine Idee hat, die einem am Herzen liegt, muss man sie verfolgen, und sich daran erinnern, dass alles möglich ist. Indem man seine Ideen verfolgt, verschiebt man die Grenzen des Möglichen.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Valérie: Ein grosser gemeinsamer Traum, den wir beide haben, ist es, in Genf  ein Haus der nachhaltigen Entwicklung zu schaffen: ein Haus im Zentrum der Stadt, das es uns ermöglichen würde, Workshops für Kinder zu veranstalten, in denen sie dann zu Lehrern dessen werden, was sie gelernt haben, denn der beste Weg, Wissen zu verankern, ist, es zu teilen. Dieses Projekt würde mit Schulen, Verbänden, Gemeinschaftszentren - kurz gesagt, mit allen Institutionen, die einen Bildungsauftrag haben - zusammenarbeiten.

Isabelle: Das wiederum würde uns erlauben, die SDGs auf einfache und spielerische Weise zu vermitteln. Ziel ist es, dass Kinder leichter verstehen, worum es geht, und dass sie lernen, wie sie handeln können, indem sie diese Ziele zu Hause oder mit ihren Freunden teilen. Darüber hinaus scheint in Genf, einer internationalen Stadt, in der so viele internationale Organisationen, die für die SDGs arbeiten, ihren Sitz haben, ein Haus der nachhaltigen Entwicklung offensichtlich zu sein. Es würde einen Raum schaffen, um Kinder mit einem Projekt anzufreunden, das sie bereits umgibt.

Valérie: Kurzfristig soll noch in diesem Monat unser erstes Comicbuch veröffentlicht werden. Es ist ein lokal produziertes Comicbuch, geschrieben von Pierre Wazem und Peggy Adam, hier in Genf gedruckt und gestaltet. Es erzählt die Geschichte der 17 Superheldinnen und Superhelden, die in unserer Ausstellung auf dem Quai Gustave Ador zu sehen waren. Jede Geschichte hat ihre eigenen zusätzlichen Informationen zum entsprechenden Ziel der nachhaltigen Entwicklung.