Mi., 14.04.2021 - 13:30

Im Jahr 2015 brach im Jemen ein Bürgerkrieg aus. Es ist nicht das erste Mal, dass dieses Land von politischer Instabilität geplagt wird, aber dieses Mal ist der Konflikt nicht vorübergehend, sondern verwandelt sich in einen ausgewachsenen Krieg, der das ganze Land in Flammen setzt. Sechs Jahre später kann die Situation als katastrophal bezeichnet werden: Der Jemen ist offiziell zur grössten humanitären Krise der Welt geworden.

Für viele Menschen, wie die 38-jährige Nabiha, hat der Krieg ihr Leben komplett verändert. Ihr Mann starb bei einer Explosion an seinem Arbeitsplatz und liess sie mit ihren drei Kindern allein zurück. Von da an wurde der Albtraum nur noch schlimmer, denn die Familie, die durch den Verlust ihres Geliebten bereits traumatisiert war, musste von einem Ort zum anderen fliehen um sich den Verschiebungen der Frontlinien anzupassen. 

" Ich lebte sehr nah an den Gefechten. Ich musste in ein anderes Viertel umziehen, weil überall um uns herum Familien getötet und verwundet wurden. Wir zogen dreimal von einem Viertel ins andere, um dem Geschoss und Luftangriffen auszuweichen " 

sagte sie. Mehr als drei Viertel der Vertriebenen im Jemen sind Frauen und Kinder, eine Situation, die in einem Land mit einer starken patriarchalischen Tradition umso kritischer ist, da es für Frauen schwierig ist, Arbeit zu finden, um ihre Familien zu unterstützen, was sie noch verwundbarer macht.

Die alltäglichen Sorgen des Konflikts, allem voran die Suche nach Nahrung, beschäftigen Nabiha noch immer sehr. Aber sie denkt auch an die Zukunft ihrer Kinder:

" Meine Tochter möchte Apothekerin werden... einer meiner Jungs möchte Arzt werden und der andere möchte  in den Medien arbeiten. Sie sind fleissige Schüler " 

sagt sie. Leider reicht das Geld nicht aus, um ein Studium oder Schulmaterial zu bezahlen; die wenigen Mittel, die sie hat, werden sofort für Essen und Unterkunft ausgegeben.

Wie Nabiha sind Millionen von Menschen ihrer Einkommensquellen beraubt und leben in permanenter Instabilität, deren Auswirkungen auf Schritt und Tritt zu spüren sind. Mehr als 20 Millionen Menschen im Jemen sind zum Überleben auf humanitäre Hilfe angewiesen. 12 Millionen von ihnen befinden sich in einer kritischen Situation, darunter 5 Millionen am Rande des Verhungerns. Das Land liegt in Trümmern, und mehr als zwei Drittel der Bevölkerung können ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken.

© UNHCR/Saleh bin Haiyan
© UNHCR/Saleh bin Haiyan
Humanitäre und gesundheitliche Krise

Die Hälfte der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen des Landes sind zerstört. Die Zivilbevölkerung hat keinen Zugang mehr zur grundlegendsten medizinischen Versorgung, während sich die Gesundheitssituation überall verschlechtert. Das Land erlebte vor kurzem die schlimmste Cholera-Epidemie, die die Welt seit langem gesehen hat, und muss sich nun, wie der Rest der Welt, COVID-19 stellen.
 
Die katastrophale Sackgasse, in der sich die jemenitische Bevölkerung befindet, scheint kein Ende zu finden. Für mehr als 4 Millionen Binnenflüchtlinge scheint die Hoffnung, nach Hause zurückzukehren und ein wenig Stabilität zu finden, gering.
 
Die Sicherheitslage im Jemen ist sehr instabil, die Frontlinien verschieben sich ständig. Zu den täglichen Problemen, mit denen die Jemeniten konfrontiert sind, kommt die Ungewissheit, jeden Moment wieder zur Flucht bereit sein zu müssen. Jeden Tag wird das Leben im Jemen gefährlicher und verzweifelter. UNHCR und seine Partner vor Ort suchen auch ständig nach neuen Zugangswegen, nach neuen Lösungen, um in einer riskanten und sich ständig verändernden Situation den Zivilisten Hilfe zu bringen.

UNHCR arbeitet unermüdlich daran, den Menschen im Jemen lebenswichtige humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als CHF 50 Mio. an finanzieller Hilfe verteilt, um Jemeniten ohne Einkommen, Unterkunft und Perspektive zu unterstützen. Die Errichtung von Lagern und anderer temporärer Infrastruktur zur Unterbringung der zur Flucht gezwungenen Menschen ist ebenfalls eine Priorität.
 
Trotz des katastrophalen Zustands dieser Krise, die zur grössten humanitären Herausforderung des Jahrhunderts geworden ist, sind die Operationen des UNHCR für den Jemen stark unterfinanziert. Nur 22 Prozent der 271 Millionen CHF, die benötigt werden, um allen bedürftigen Menschen im Jemen im Jahr 2021 Hilfe zukommen zu lassen, wurden aufgebracht. Es liegt in unser aller Verantwortung, unser Möglichstes zu tun, damit die Krise im Jemen nicht in Vergessenheit gerät und die internationale Gemeinschaft weiterhin eine Zivilbevölkerung unterstützt, die sich schon zu lange am Rande des Zusammenbruchs befindet.