Mo., 01.02.2021 - 09:00

Die Rohingya-Krise dauert nun schon seit mehr als drei Jahren an und verursacht weiterhin eine Flut von Flüchtlingen, die auf der Suche nach Sicherheit alles hinter sich lassen. Das gilt besonders für diejenigen, die auf den Schiffen der Schmuggler ihr Leben riskieren, zusammengepfercht und oft als Geiseln gehalten. Im März 2020 besteigen fast 100 Menschen eines dieser Boote in Bangladesch auf dem Weg nach Malaysia. Es wird mehr als sechs Monate dauern, bis dieses Schiff in Aceh, Indonesien, ankommt - mit nur fast der Hälfte der Flüchtlinge an Bord. Wir konnten einige der Überlebenden treffen, und ihre Aussagen bezeugen nicht nur das Grauen, dass sie erlebt haben, sondern auch die Hoffnung, die sie dazu trieb, die Segel zu setzen.

Bangladesch ist ein häufiger Zufluchtsort für viele Flüchtlinge, die vor der Verfolgung in Myanmar geflohen sind. Das dortige Camp Kutupalong ist heute das größte Flüchtlingscamp der Welt und beherbergt mehr als 600 000 Menschen. Die Flüchtlinge müssen nicht mehr um ihr Leben fürchten, aber ihr rechtlicher Status erlaubt es ihnen nicht zu arbeiten, zu studieren oder sich innerhalb Bangladeschs frei zu bewegen. Deshalb suchen viele Rohingya, vor allem die Jüngeren, anderswo nach Zukunftsperspektiven.
 

Junaida, Mohammed und Begum sind alle unter 20 Jahre alt und gehören zu den jungen Menschen, die ihr Leben für eine bessere Zukunft riskieren.

Junaida

Nach dem Verlust ihrer Mutter, mit der sie nach Bangladesch geflohen war, ist die 15-jährige Junaida Hafsa auf sich allein gestellt. Sie beschliesst zu ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Malaysia zu gehen. Nach ein paar Anrufen holt sie ein Schmuggler ab, und bringt sie mit einer Barke zum Boot, dass sie nach Malaysia bringen soll. Das Boot ist überfüllt, und im Laufe der Monate werden immer mehr Menschen krank und sterben. Die Situation ist so unerträglich, dass die Schleuser beschliessen die noch lebenden Flüchtlinge zu zwingen, sich auf ein kleineres Boot zu zwängen. Dort überlassen sie sie ihrem Schicksal, mit Wasser und Nahrung, dass für maximal vier Tage ausreicht. Doch 11 Tage später sind sie immer noch auf hoher See unterwegs.

« Wir waren hoffnungslos, wir wussten nicht, ob wir leben oder sterben würden. Wir haben nur versucht, Festland zu erreichen, egal welches. »

Erst am 12. Tag wurde das Boot endlich gesichtet und an Land zurückgebracht, etwa 400 Kilometer von seinem ursprünglichen Ziel entfernt. Junaida schätzt sich glücklich, weil sie überlebt hat. Die Bitterkeit in ihrer Stimme ist jedoch zu spüren, beim Erwähnen der Herkunft all ihrer Leiden:

« Wenn wir in Frieden lebten, hätte ich ein Leben gehabt. Ich möchte ein normales Leben führen können. »
Mohammed

Mohammed Hasan ist 17 Jahre alt und möchte arbeiten. Als er 2014 mit seiner Familie in Bangladesch ankommt sind die Arbeitsgelegenheiten gering, wenn nicht abwesend. Er beschliesst daraufhin, nach Malaysia zu Verwandten zu gehen, wo er hofft, endlich seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Seine Reisen, von der Flucht nach Bangladesch bis zur Suche nach Arbeit in Malaysia, sind alles andere als ein Traum, sondern eine Notwendigkeit :

« Myanmar ist mein Heimatland. Wenn wir dort in Frieden leben könnten, würde ich am liebsten in meinem Land leben. »

Während der Reise sieht Mohammed Menschen sterben. Der Mangel an Wasser und Nahrung ist so kritisch, dass er entsetzt zusieht, wie ein Mann sein eigenes T-Shirt auswringt, um ein paar Schweisstropfen zum Trinken zu bekommen. Später sah sich Mohammed gezwungen, dieselbe Methode anzuwenden, um zu überleben. Bei der Ankunft kann er seine Erleichterung kaum zurückhalten:

« Ich war extrem glücklich, als ob ich von der Hölle ins Paradies gelangt wäre. Es war, als hätte ich ein zweites Leben, ein Leben nach dem Tod. »
Begum

Der gesellschaftliche Druck, zu heiraten, wiegt schwer auf der 19-jährigen Begum Ziyah. Ihre Brüder warnen sie davor, dass je länger sie wartet, desto mehr wird sie ihren bereits alten Eltern zur Last fallen. Sie beschliesst, sich ihren beiden älteren Brüdern in Malaysia anzuschliessen, um einen Ehemann und eine Zukunft zu finden. Sie bereitet sich auf eine Bootsfahrt vor, die normalerweise sieben Tage dauert. Wenn sich diese hinzieht, steigen die Spannungen:

« Einige der Flüchtlinge wurden unruhig und frustriert, sie protestierten und die Schiffsbesatzung reagierte mit Gewalt. Ich musste helfen, das Blut von den Körpern zweier Menschen zu reinigen. »

Das Zeitgefühl verliert sich bei der scheinbar unendlichen Reise, und die Hoffnung schwindet mehr und mehr, während die Machtlosigkeit einsetzt. Das Licht am Ende des Tunnels ist schwach und verblasst im Laufe der Wochen: 

« Ich war wütend. Wir waren mitten auf dem Meer, wir konnten nichts tun.»