Do., 10.02.2022 - 10:00

Im November 2020 brachen die ersten Kämpfe in der Region Tigray im Norden Äthiopiens aus. Seitdem ist mehr als ein Jahr vergangen und die Lage hat sich dramatisch verschlechtert: Millionen von Menschen leiden unter Nahrungsmittelknappheit und das drohende Risiko einer Massenhungersnot rückt immer näher.  

Ein fragiles regionales Gleichgewicht

Heute ist die Region des Horns und des Ostens Afrikas mit mehreren Krisen konfrontiert. Zwischen Südsudan, Äthiopien, Somalia und Sudan gibt es nicht weniger als 16 Millionen Binnenvertriebene und Flüchtlinge, die hauptsächlich in die Nachbarländer geflohen sind. Das sind fast 20% aller weltweit zur Flucht gezwungenen Menschen.  

Die jüngsten Entwicklungen des Konflikts in Tigray stellen eine echte Herausforderung für die Stabilität der gesamten Region dar. Äthiopien befindet sich an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Konfliktzonen und beherbergt bereits fast eine Million Flüchtlinge, die vor allem aus dem Südsudan und aus Somalia stammen. Nun drohen die zunehmende Instabilität und die Spannungen eine ganze Region aus dem Gleichgewicht zu bringen und damit nicht nur die humanitäre Arbeit vor Ort weiter zu erschweren, sondern auch noch mehr Zwangsumsiedlungen zu verursachen.  

Tausende Menschen mussten in den letzten Monaten vor den Kämpfen in der Region Tigray fliehen. ©UNHCR/Olga Sarrado Mur
Tausende Menschen mussten in den letzten Monaten vor den Kämpfen in der Region Tigray fliehen. ©UNHCR/Olga Sarrado Mur

Das Gespenst einer Hungersnot  

Die anhaltenden Auseinandersetzungen und das Scheitern einer Einigung zwischen den beiden Kriegsparteien über einen Korridor für humanitäre Hilfslieferungen verschlechtern die Lage der Menschen in Tigray Tag für Tag weiter. So sind 4,6 Millionen Menschen oder 83% der Bevölkerung von Tigray von Ernährungsunsicherheit betroffen, und für fast die Hälfte von ihnen ist die Situation kritisch.  

Selbst in den Zeiten der heftigsten Auseinandersetzungen im syrischen oder jemenitischen Konflikt wurde immer eine Lösung gefunden, um sicherzustellen, dass die Nothilfe diejenigen erreicht, die sie am dringendsten benötigen, beklagt Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, der selbst aus der Region Tigray stammt. Seit Monaten warten Kinder, Frauen und Männer verzweifelt auf die Lieferung von Medikamenten und Nahrungsmitteln, und die Dringlichkeit, diese zu liefern, nimmt täglich zu.  

Die Lieferung von Medikamenten und Lebensmitteln nach Tigray ist weiterhin nicht möglich. ©UNHCR/Olga Sarrado Mur
Die Lieferung von Medikamenten und Lebensmitteln nach Tigray ist weiterhin nicht möglich. ©UNHCR/Olga Sarrado Mur

Verzweifelte Lage in den Flüchtlingslagern

Vor dem Ausbruch des Konflikts war Tigray lange Zeit Zufluchtsort für Tausende von eritreischen Flüchtlingen gewesen. Heute sehen diese Menschen, die bereits vor Gewalt und Verfolgung geflohen sind, wie sich ihr Albtraum wiederholt- seit Beginn des Konflikts haben sich die Angriffe auf sie vervielfacht.   

Die Lage in den Lagern ist heute kritisch: So mussten beispielsweise alle Kliniken in Mai Aini und Adi Harush seit Anfang Januar geschlossen werden, da die Medikamentenvorräte endgültig erschöpft waren. In den letzten sechs Wochen hätte der Tod von mehr als 20 Menschen verhindert werden können. Neben dem Zugang zu Medikamenten und medizinischer Versorgung bleibt die Beschaffung von sauberem Wasser und Nahrungsmitteln eine grosse Herausforderung. Diese Gemeinschaft war bereits vor Beginn des Konflikts gefährdet und steht nun vor einer kritischen Situation. UNHCR fordert die Umsiedlung von mindestens 25’000 Flüchtlingen in die Region Amhara, um ihr Überleben zu sichern.  

UNHCR und seine Partner arbeiten unermüdlich daran, den in der Tigray-Region gestrandeten Menschen sowie den Flüchtlingen und Vertriebenen in den umliegenden Regionen die dringend benötigte Unterstützung zukommen zu lassen. Diese Bemühungen sind derzeit noch unterfinanziert - bis Ende 2022 werden 200 Millionen Schweizer Franken benötigt, damit UNHCR die Bedürfnisse von Millionen von Menschen abdecken kann, deren Alltag immer unlebbarer wird.  

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