In einem Jahr, das von anhaltenden Konflikten und neuen Notsituationen geprägt ist, liefert der UNHCR-Bericht „Global Trends 2024“ einen ernüchternden Meilenstein: Ende 2024 waren weltweit 123 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben - so viele wie nie zuvor. Diese Zahl hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt, ein besorgniserregender Trend, der weiterhin anhält. .
Im April 2025 war die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen leicht auf 122 Millionen zurückgegangen - eine kleine, aber bemerkenswerte Veränderung nach Jahren des kontinuierlichen Anstiegs. Sie ist jedoch immer noch höher als die 120 Millionen, die zur gleichen Zeit im letzten Jahr verzeichnet wurden, was fast ein Jahrzehnt lang einen jährlichen Anstieg der Vertreibung widerspiegelt.
In einer Zeit, in der sich öffentliche Debatte oft von Vorurteilen geprägt ist, schaffen diese Daten wichtige Klarheit - und erinnern uns daran, dass die Realität der Vertreibung oft ganz anders aussieht, als wir denken.

Die Zahl der Vertriebenen steigt, aber nicht dort, wo man denkt
Während sich die Medienberichte oft auf die Menschen konzentrieren, die in Europa ankommen, bleibt die grosse Mehrheit der Vertriebenen in ihrem eigenen Land oder in der Nähe ihrer Heimat:
- 60 % aller Vertriebenen sind Binnenvertriebene, das heisst, sie haben keine Landesgrenze überschritten.
- Zwei Drittel derjenigen, die das Land verlassen, bleiben in Nachbarländern, häufig in Regionen, die bereits mit Armut und Instabilität zu kämpfen haben.
- Tatsächlich werden 73 % aller Flüchtlinge in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen - und nicht in wohlhabenden Ländern.
- Mit 14,3 Millionen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen ist der Sudan zur grössten Vertreibungskrise der Welt geworden, gefolgt von Syrien, Afghanistan und der Ukraine.
Für die Schweiz zeigt dies einmal mehr, wie wichtig internationale Solidarität und Unterstützung ist: nicht nur durch Nothilfe, sondern durch längerfristige Zusammenarbeit und faire Aufteilung der Verantwortung.

Kinder und psychische Gesundheit: Die unsichtbaren Folgen
Die menschlichen Folgen von Vertreibung gehen weit über die Zahlen hinaus.
- 41 % der weltweiten Flüchtlinge sind Kinder, von denen viele mit dem Trauma der Trennung, dem Verlust der Schulbildung und der anhaltenden Unsicherheit konfrontiert sind.
- Die psychische Gesundheit ist eine oft übersehene Krise. Flüchtlinge, insbesondere Frauen und Mädchen, sind einem erhöhten Risiko von Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischem Stress ausgesetzt. In Ländern wie Kamerun und Südsudan leiden 18 % der Frauen und Mädchen an Depressionen. Ältere Frauen sind besonders gefährdet, da sie oft isoliert sind oder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Im Jahr 2024 wurden 175'000 medizinische Konsultationen in UNHCR-unterstützten Einrichtungen durchgeführt. Aufgrund der gekürzten Mittel bedeutet dies einen Rückgang um 6 % im Vergleich zu den Vorjahren. Für 2025 wird mit einem weiteren Rückgang gerechnet, wenn nicht zusätzliche Ressourcen mobilisiert werden.
Die Behandlung der psychischen Gesundheit ist kein Luxus: Sie ist ein grundlegender Bestandteil der Wiederherstellung der Würde und des Wiederaufbaus von Leben.

Staatenlosigkeit: Millionen Menschen ohne Land
Weltweit sind mindestens 4,4 Millionen Menschen von Staatenlosigkeit betroffen, d. h. sie werden von keinem Staat als Bürger anerkannt. Das bedeutet oft, dass sie keinen Zugang zu grundlegenden Rechten wie Bildung, Gesundheitsversorgung oder Arbeit haben.
In 24 Ländern ist es Frauen immer noch nicht gestattet, ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben, was eine der Hauptursachen für vererbte Staatenlosigkeit ist.
Damit Staatenlosigkeit beendet werden kann, setzt UNHCR auf rechtliche Reformen, starke Partnerschaften vor Ort und ein langfristiges internationales Engagement.
Dauerhafte Lösungen: Ein Schimmer von Hoffnung
Auch wenn die Zahl der Vertriebenen insgesamt so hoch ist wie nie zuvor, sind Lösungen möglich, wenn die internationale Gemeinschaft in Frieden, Schutz und Zukunftsperspektiven investiert.
Im Jahr 2024:
- 1,6 Millionen Flüchtlinge kehrten freiwillig in ihre Heimatländer zurück.
- 8,2 Millionen Binnenflüchtlinge konnten in ihre Herkunftsorte zurückkehren.
- 188'800 Flüchtlinge wurden mit Unterstützung von UNHCR und Partnern in sichere Drittländer umgesiedelt.
Diese Zahlen zeigen, dass die Hoffnung noch nicht verloren ist, aber eine Ausweitung dieser Bemühungen erfordert kontinuierliches Engagement und eine angemessene Finanzierung.
"Trotz der verheerenden Kürzungen haben wir in den letzten sechs Monaten einige Lichtblicke gesehen. Fast 2 Millionen Syrerinnen und Syrer konnten nach über einem Jahrzehnt der Entwurzelung in ihre Heimat zurückkehren",
sagte Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge.

Warum dies für die Schweiz wichtig ist
Die Schweiz verfügt über eine lange humanitäre Tradition und spielt eine führende Rolle bei den internationalen Schutzbemühungen. Sowohl durch ihre Unterstützung für UNHCR als auch durch ihr eigenes Asylsystem.
Dieser Bericht erinnert uns daran:
- Zwangsvertreibung ist eine globale Herausforderung, die kollektive Antworten erfordert.
- Fehlerhafte Informationen darüber, wer Flüchtlinge sind und wohin sie gehen, können zu schädlichen Stereotypen führen.
- Solidarität beginnt mit Verständnis und mit konkretem Handeln.
Eine gemeinsame Verantwortung
Hinter jeder Statistik verbirgt sich eine persönliche Geschichte: eine Familie, die Sicherheit sucht, ein Kind, das hofft, wieder zur Schule gehen zu können, eine Mutter, die ihr Leben von Grund auf neu aufbaut.
Da die Zahl der Vertriebenen weiter steigt, dürfen wir nicht wegschauen. Die Zahlen im UNHCR-Bericht 2024 Global Trends sind mehr als nur Daten, sie sind ein Aufruf zum Handeln für uns alle.
UNHCR veröffentlicht den Global Trends Report jährlich im Juni, vor dem Weltflüchtlingstag (20. Juni). Er enthält die aktuellsten Statistiken und Analysen zur weltweiten Vertreibung, die auf den Daten des vergangenen Kalenderjahres basieren.
Dem Bericht Global Trends 2024 zufolge waren Ende 2024 123 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben worden. Im April 2025 ist diese Zahl leicht auf 122 Millionen Menschen gesunken. Dazu gehören Flüchtlinge, Asylbewerber, Binnenvertriebene und Staatenlose.
Entgegen der allgemeinen Annahme sind 73 % der Flüchtlinge in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen untergebracht, oft in der Nähe der Krisen, vor denen sie geflüchtet sind. Die meisten Flüchtlinge bleiben in der Nähe ihrer Heimatregionen und kommen nicht nach Europa.
Ein Flüchtling überquert eine internationale Grenze, um Schutz zu suchen, während ein Binnenvertriebener in seinem Heimatland bleibt. Im Jahr 2024 waren laut UNHCR 60 % der gewaltsam vertriebenen Menschen Binnenvertriebene.
Sie können einen wichtigen Beitrag leisten, indem Sie für lebensrettende Hilfe, Bildung und Gesundheitsdienste für Flüchtlinge spenden. Besuchen Sie https://donate.unrefugees.ch/ch/de-ch/unhcr-spenden um zu spenden oder mehr darüber zu erfahren, wie Sie sich engagieren können.