Fr., 14.03.2025 - 10:15

Nach Jahren der Vertreibung denken viele Syrer vorsichtig über eine Rückkehr nach Hause nach.

Seit Dezember 2024 sind fast 300'000 Flüchtlinge freiwillig nach Syrien zurückgekehrt. Zudem sind mehr als 829'000 Binnenvertriebene (IDPs) in ihre Herkunftsregionen zurückgezogen – eine Gesamtzahl, die der kombinierten Bevölkerung von Vaud und Basel entspricht. 

Doch der Wiederaufbau ihres Lebens ist alles andere als einfach. Minen und nicht explodierte Kampfmittel stellen eine tägliche Gefahr dar, die Stromversorgung ist unzuverlässig, und eine schwere Wirtschaftskrise lähmt das Land – jeder vierte Syrer ist arbeitslos. 

Millionen von Flüchtlingen wägen sorgfältig ab, ob eine Rückkehr für sie sicher ist. Einige möchten unbedingt zurückkehren, andere warten auf mehr Sicherheit und Stabilität. Diese Unsicherheit betrifft auch die rund 20'000 syrischen Flüchtlinge in der Schweiz. 

Trotz aller Herausforderungen sind die Rückkehrer entschlossen, ihre Gemeinschaften wiederaufzubauen, Arbeit zu finden und sich eine neue Zukunft zu schaffen. 

Stimmen syrischer Familien zur Rückkehr – und wie UNHCR sie unterstützt

Während eines Besuchs in Syrien und den Nachbarländern trifft Filippo Grandi, Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, auf Familien, die in ihre Heimat zurückkehren. Er betont, dass mehr Unterstützung notwendig ist, um nachhaltige Rückkehr zu ermöglichen. 

Nach 13 Jahren in Jordanien fragte sich der 80-jährige Hassan Mohammad Alhassan, ob er jemals nach Syrien zurückkehren würde. 

Am 30. Januar nahm er schliesslich einen UNHCR-Bus von Amman nach Homs – mit einem Lächeln im Gesicht. 

„Wir haben in Jordanien gelebt, als wäre es unser eigenes Land. Dreizehn Jahre sind vergangen, und wir hatten nie Beschwerden“, sagt Alhassan.

Festlich gekleidet für diesen besonderen Anlass – im Anzug und mit Krawatte sowie einem Schal mit der neuen Flagge Syriens um die Schultern – erklärte er seine Entscheidung zur Rückkehr, trotz der Herausforderungen, die vor ihm liegen. 

„Warum die Rückkehr? Weil wir endlich Freiheit erleben und unser Leben wieder aufnehmen können. Ich habe meine Schwestern, meinen Bruder und meine Töchter seit Jahren nicht mehr gesehen – aufgrund der politischen Situation.“ sagt Alhassan. 

„Mein Haus ist zerstört, es muss repariert werden und das wird teuer. Aber zumindest werde ich wieder zuhause sein.

Alhassan und seine Familie waren Teil einer Gruppe von über 90 syrischen Flüchtlingen, die mit drei von UNHCR organisierten Bussen aus Amman nach Damaskus, Homs und Daraa reisten. 

Während noch mehr der 6 Millionen syrischen Flüchtlinge über eine Rückkehr nachdenken, wägen viele die politischen und sicherheitspolitischen Bedingungen ab. UNHCR betont, dass Rückkehr freiwillig, informiert und sicher erfolgen muss – mit kontinuierlicher Unterstützung für Flüchtlinge und Aufnahmeländer.

Wiederaufbau Syriens – was Rückkehrer für eine nachhaltige Zukunft brauchen

Nachdem er Alhassan und den anderen Rückkehrern alles Gute für ihre Heimreise gewünscht hatte, sprach der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, über seine Eindrücke. Während seines Aufenthalts in Jordanien – der letzten Etappe einer einwöchigen Reise durch Syrien, den Libanon und die Türkei – beschrieb er die Rückkehr von Flüchtlingen als 'den bewegendsten Moment für jeden UNHCR-Mitarbeiter' 

„Diese Menschen brauchen Hilfe. UNHCR unterstützt sie bei der sicheren Rückkehr nach Syrien in Zusammenarbeit mit der jordanischen Regierung, die so großzügig war. Wir helfen auch auf der syrischen Seite.“

„Sie brauchen sofortige Unterstützung – aber mehr noch: Syrien braucht ein Wiederaufbauprogramm – mit grundlegenden Dienstleistungen, Infrastruktur, Wohnraum und Arbeitsplätzen für Rückkehrer und alle Menschen im Land.“ 

Dringende Bedürfnisse syrischer Rückkehrer

In Aleppo, einer der am stärksten zerstörten Städte des Konflikts, sprach Grandi mit Rückkehrern aus der Türkei. 

Der 27-jährige Issa floh im Alter von 18 Jahren aus Syrien. Im Februar 2023 zerstörten die Erdbeben in der Türkei sein Zuhause in Kahramanmaraş. Nach dem Sturz der vorherigen Regierung kehrte er mit seiner schwangeren Frau und drei Kindern nach Aleppo zurück.   

„Wir haben so viel durchgemacht“, sagt Issa. „Ich war in Aleppo, dann wurde es zerstört. Ich ging in die Türkei, dann kam das Erdbeben. Jetzt bin ich zurück, aber es ist immer noch zerstört.“

Die Familie lebt derzeit bei Verwandten, um wieder auf die Beine zu kommen. Issa, ein ehemaliger Kupferschmied in der Türkei, betont, wie dringend es ist, grundlegende Dienstleistungen wiederherzustellen. 

„Es gibt weder Strom, noch Wasser, noch Internet oder Arbeit. Wie sollen wir das Land wiederaufbauen?“ “Wenn diese grundlegenden Dienste zurückkehren, werden es auch die Menschen tun – Syriens Zukunft hängt davon ab.”  

Grandi betonte UNHCRs Engagement, zurückkehrende Flüchtlinge, Binnenvertriebene und andere schutzbedürftige Syrer weiterhin zu unterstützen. Seit Dezember sind fast 300'000 Menschen zurückgekehrt und haben lebenswichtige Hilfe erhalten – darunter Haushaltsgegenstände, Winterkleidung, psychosoziale Unterstützung, Reparaturen an beschädigten Häusern, Identitätsdokumente und finanzielle Soforthilfe. 

„Wir dürfen die anhaltende humanitäre Krise nicht vergessen“, sagte er. „Der politische Wandel eröffnet neue Möglichkeiten, doch anhaltende Unterstützung ist entscheidend, um eine nachhaltige Rückkehr zu gewährleisten.“ 

Immer mehr Syrer erwägen eine Rückkehr – doch ihre Entschlossenheit steht im Kontrast zu den enormen Herausforderungen. Zerstörte Infrastruktur, begrenzte Arbeitsmöglichkeiten und fehlende Grundversorgung machen nachhaltige und sichere Rückkehr von kontinuierlicher humanitärer Hilfe und langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen abhängig. 

UNHCR bleibt engagiert, Rückkehrer zu unterstützen und sicherzustellen, dass sie ihre Heimreise mit Würde, Sicherheit und Hoffnung antreten können. Der Wiederaufbau Syriens wird Zeit brauchen, aber mit gemeinsamen Anstrengungen und internationaler Solidarität können zurückkehrende Familien beginnen ihre Zukunft in die Hand zu nehmen und zum Wiederaufbau ihres Landes beizutragen.