Do., 13.10.2022 - 15:15

Im Jahr 2022 ist die Zahl an vertriebenen Menschen, vor allem wegen des Konflikts in der Ukraine, drastisch gestiegen. Glücklicherweise haben die Menschen aus der Ukraine eine noch nie dagewesene Unterstützung erhalten und wurden in ganz Europa herzlich willkommen geheissen. Allerdings erhalten nicht alle Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, die gleiche Unterstützung und Solidarität, obwohl sie alle den gleichen Zugang zu Sicherheit und Schutz sowie die Möglichkeit zu arbeiten, zu studieren und zu reisen erhalten sollten. Die Krise in der Ukraine hatte schwere wirtschaftliche Auswirkungen, die vor allem die vertriebenen Gemeinschaften zu spüren bekamen und das Risiko eines Schulabbruchs, einer frühen Heirat oder geschlechtsspezifischer Gewalt erhöhten.   

Der 2022 Unterfinanzierungsbericht befasst sich mit 12 Ländern, die zu den wichtigsten Operationen von UNHCR gehören und in denen bereits sehr schwierige Entscheidungen zur Prioritätensetzung getroffen wurden. Während in einigen Ländern vertriebene Gemeinschaften kurz vor einer Unterbrechung der Nahrungsmittelversorgung stehen, würden in anderen Ländern zusätzliche Mittel dazu beitragen, ihre Abhängigkeit vom UNHCR in Zukunft zu verringern. 

In diesem Artikel, dem zweiten von drei, sind die Länder, die wir näher betrachten, Äthiopien, Irak, Jordanien und der Libanon.  UNHCR ist äusserst besorgt über ihre gravierende Unterfinanzierung, da sich ihre Bedingungen zweifellos verschlechtern werden, wenn keine Massnahmen ergriffen werden. Diese Länder mögen unterfinanziert sein, aber sie werden nicht vergessen werden.   

 

5. Äthiopien - 7,1 Millionen Zwangsvertriebene

Äthiopien, das seit langem Flüchtlinge aufnimmt, ist eines der am stärksten betroffenen Länder in Bezug auf Vertreibung. Seit 2020 hat sich der Tigray-Konflikt ausgeweitet, was zu zahlreichen Fluchtbewegungen führte und viele Menschen dazu zwang, sich in den Sudan zu begeben. Die Auseinandersetzungen haben neue Hindernisse für den humanitären Zugang und eine Verschlechterung der Grundversorgung ausgelöst. Zusätzlich zu diesen Konflikten wurde das Land von der schlimmsten Dürre der letzten 40 Jahre betroffen, von der mindestens 36 Millionen Menschen zu leiden hatten. Die Weltorganisation für Meteorologie sagt nun voraus, dass die Dürre noch ein fünftes Jahr andauern wird. Die plötzlichen Überschwemmungen verschärfen auch die humanitäre Lage; Flüchtlinge, die sich in etablierten Lagern befanden, mussten um ihrer Sicherheit willen fliehen, was zusätzliche Mittel für neue Standorte erfordert. Von den 330 Millionen Franken, die zur Bewältigung der Krise benötigt werden, sind bis heute nur 40% verfügbar. 

Kritisch gefährdete Einsatzbereiche:

Gesundheit, Wohlbefinden und Grundbedürfnisse, Nachhaltiges Wohnen.  

6. Irak - 6,4 Millionen Menschen sind zwangsvertrieben 

Trotz einer relativen Stabilität in den letzten drei Jahren bleibt das politische und sicherheitspolitische Umfeld unberechenbar, wodurch der Irak weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Der Irak beherbergt 300’000 Flüchtlinge und Asylsuchende, hauptsächlich Syrer, die nur geringe Aussichten auf eine Rückkehr haben. Ausserdem gibt es 1,2 Millionen Binnenvertriebene im Irak, die mit Unsicherheit und einem begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen konfrontiert sind. Mehr als 25% der Binnenvertriebenen und 16% der Rückkehrer verfügen nicht über mindestens ein wichtiges Identitätsdokument, wodurch ihr Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialversicherungsleistungen eingeschränkt ist. Die Finanzierung ist auch für die Unterstützung der irakischen Behörden bei der Integration von Flüchtlingen und der Hilfe für bedürftige Bevölkerungsgruppen von entscheidender Bedeutung. Von den 342 Millionen Franken, die zur Bewältigung der Krise benötigt werden, sind bis heute nur 31% verfügbar. 

Kritisch gefährdete Einsatzbereiche:

Lokale Integration, Bildung, Wohlfahrt und Grundbedürfnisse.

7. Jordanien - 760'000 zwangsvertriebene Personen 

Jordanien beherbergt 760’000 Flüchtlinge, hauptsächlich aus Syrien, dem Irak und dem Jemen, und ist damit das Land mit der zweithöchsten Pro-Kopf-Flüchtlingszahl. Einige Flüchtlingsfamilien sind in der Lage, Einkommen für ihren Haushalt zu erwirtschaften, während andere unterhalb der Armutsgrenze leben. Aufgrund der wirtschaftlichen Schocks verloren die Menschen an Kaufkraft, und obwohl Treibstoff und Brot subventioniert wurden, stiegen die Preise allgemein an. Immer mehr Familien griffen auf Krisenstrategien zurück, wie z. B. die Kinder aus der Schule zu nehmen, zu betteln oder hochriskante Jobs anzunehmen. Viele von ihnen mussten auch die Anzahl ihrer Mahlzeiten reduzieren oder die Grösse der Portionen verringern. Eine Finanzierung würde nicht nur helfen, die steigende Nachfrage nach Bargeld zu befriedigen, sondern auch die 60 prozentige Flüchtlingsbevölkerung durch Jugendprojekte und Stipendien zu unterstützen. Von den 405 Millionen Franken, die zur Bewältigung der Krise benötigt werden, sind bis heute nur 37% verfügbar. 

Kritisch gefährdete Einsatzbereiche:

Mehrzweck-Finanzhilfe, Gesundheit, Winterhilfe.

8. Libanon – 869'000 Zwangsvertriebene und Staatenlose 

Mit 1,5 Millionen Syrern und 13'300 Flüchtlingen anderer Nationalitäten ist der Libanon das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Aufnahme von Flüchtlingen. Der sozioökonomische Abschwung, Covid-19 und die Explosion des Hafens von Beirut haben dazu beigetragen, dass neun von zehn Flüchtlingen in extremer Armut leben. Der Konflikt in der Ukraine führte auch zu Engpässen bei entscheidenden Lebensmittelimporten; Treibstoffknappheit aufgrund des weltweiten Anstiegs der Energiepreise, was zu einer Verschärfung der Energiekrise führte. 96% der syrischen Flüchtlingsfamilien sind in einer Situation der Ernährungsunsicherheit, und der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Wasser, Bildung und Gesundheit ist stark eingeschränkt. Häufig sind sie auch von Zwangsräumung bedroht, weil sie ihre Miete nicht bezahlen können. Wenn sich die finanzielle Situation nicht rasch verbessert, befürchtet UNHCR, dass es nicht möglich sein wird, den Flüchtlingen ausreichend zu helfen, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Grundbedürfnisse im Libanon zu befriedigen. Von den 531 Millionen Franken, die zur Bewältigung der Krise benötigt werden, sind bis heute nur 40% verfügbar. 

Kritisch gefährdete Einsatzbereiche:

Wohlbefinden und Grundbedürfnisse, Gesundheit, Zugang zu Registrierung und Dokumentation im Land.