Di., 22.10.2024 - 15:02

Als Charity Partner des Zurich Film Festival ZFF durften wir von Switzerland for UNHCR am 10. Oktober 2024 eine Podiumsdiskussion veranstalten. Diese fand direkt nach der Vorführung des Dokumentarfilms „Sudan – Remember Us“ der französischen Regisseurin Hind Meddeb im ausverkauften Kino Frame statt. Meddeb nahm auch gleich an der Podiumsdiskussion teil, zusammen mit el-Wathig el-Gozoli von der Sudanese Swiss Charity und Petros Mastakas, UNHCR Durable Solutions Officer.

„Sudan – Remember Us“ zeigt auf eindrückliche Weise, wie schnell Hoffnung in Verzweiflung umschlagen kann. Hind Meddeb war 2019 in der Hauptstadt Khartum und erlebte dort hautnah mit, wie der langjährige Diktator Omar Al-Bashir gestürzt wurde. Sie begleitete mit ihrer Kamera junge Aktivistinnen und Aktivisten, die sich friedlich für eine Bürgerregierung einsetzten, mit Sitzstreiks, Musik, Gedichten und Bildern. Aber ihre Hoffnung eines neuen Sudans schwand bald, als das Militär die Bewegung mit Gewalt niederschlug…  Im letzten Jahr brach im Sudan zudem ein Krieg aus. Mehr als 11 Millionen Menschen wurden bereits vertrieben, es handelt sich um die derzeit grösste humanitäre Katastrophe weltweit. Sämtliche Protagonistinnen und Protagonisten des Dokumentarfilms mussten ins Ausland flüchten. 

Sie sehe das aber nicht als eine Niederlage, sagte Hind Medebb gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion: „Was die Sudanesinnen und Sudanesen während der Revolution geschaffen haben, ist immer noch präsent.“ Was sie in Khartoum erlebt habe, sei wahnsinnig inspirierend, eine Explosion von Energie gewesen. Die Leute hätten den Drang gehabt, sich auszudrücken. Eigentlich sei sie privat im Sudan gewesen, aber sie begann, die Leute zu filmen, weil sie das gewünscht hätten. Als das Militär schliesslich die Revolution niederschlug, sei zuerst Chaos ausgebrochen. „Ich musste meine Protagonistinnen und Protagonisten wieder zusammensuchen, ich wusste nicht, wer noch lebte. Das war eigentlich erst der Moment, in welchem mir bewusst wurde: Ich muss einen Film machen!“ Und natürlich habe sie gehofft, dass der Film mit freien Wahlen enden würde und nicht mit einem Krieg, so Hind Meddeb weiter. Aber sie hatte auch gute Nachrichten: Sie sei immer noch in Kontakt mit all den porträtierten Personen in ihrem Film, und sie seien sogar alle zusammen ans Filmfestival nach Doha eingeladen worden.

El-Wathig el-Gozoli ist Sudanese und lebt in der Schweiz. Er hat zusammen mit anderen die Sudanese Swiss Charity gegründet. Die Gruppe will die Schweizer Bevölkerung auf die Lage im Sudan aufmerksam machen und Geld sammeln, um den Menschen dort zu helfen. „Wir haben an UNHCR gespendet, weil wir sicher sein wollen, dass das Geld auch wirklich die Menschen erreicht, die es brauchen“, beteuerte er. Hind Meddebs Film habe ihn einerseits traurig gemacht. Andererseits sei er sehr beeindruckt vom Spirit dieser jungen Sudanesinnen und Sudanesen. Sie würden nicht einfach nur für sich kämpfen, sondern für kommende Generationen. Sie hätten klargemacht: Eine weitere Diktatur sei keine Option. El-Wathig el-Gozolis Vater und seine zwei Schwestern sind nach Ägypten geflüchtet. Er hat aber immer noch Verwandte und Freunde im Sudan. „Die Situation ist wirklich schlimm. Die Menschen dort können niemandem vertrauen, es ist niemandem klar, wer eigentlich wen bekämpft. Du kannst nicht einmal mehr sicher sein, dass dir die Polizei hilft. Es herrscht so viel Kriminalität, Gewalt, Frauen werden vergewaltigt. Alles Schreckliche, was wir uns vorstellen können, passiert gerade im Sudan.“ 

Petros Mastakas pflichtete el-Wathig el-Gozoli bei. Er arbeitet seit 25 Jahren für geflüchtete Menschen und war Ende letzten Jahres für drei Monate in den Tschad versetzt worden, wo er in der Grenzstadt Adre sudanesische Flüchtlinge in Empfang nahm. Die Bevölkerung von Adre habe sich innerhalb von wenigen Wochen verzehnfacht, erzählt er. „Stellen Sie sich vor: Sie wachen auf, und da campieren plötzlich Zehntausende Menschen in Ihren Strassen, Schulen, Plätzen und Moscheen. So sah die Notfallsituation dort aus. Zuerst halfen die Einheimischen den Flüchtlingen, sie gaben ihnen Wasser, hiessen sie in ihren Häusern willkommen, brachten sie zu Ärzten.” Erst danach konnte die internationale Gemeinschaft die Hilfe vorantreiben, sprich UNHCR und andere Organisationen. Wasser ist im Chad ein seltenes Gut, die Bevölkerung ist sehr arm. Trotzdem haben sie die sudanesischen Flüchtlinge so gut es ging unterstützt. „Wie wäre das wohl in unserer Gesellschaft abgelaufen?“, fragte Petros Mastakas ins Publikum, und viele Zuschauende nickten vielsagend. 3 Millionen Sudanesinnen und Sudanesen hätten mittlerweile bereits die Grenze überquert, 8 Millionen weitere seien innerhalb ihres Landes vertrieben worden. Sie hätten alles zurücklassen müssen, seien auf ihrer Flucht angegriffen worden, zum Teil sexuell missbraucht. Und Petros Mastakas richtete sich noch einmal ans Publikum: „Bitte stehen Sie mit mir auf und ich zähle laut bis 3. So lange haben Sie Zeit, um sich den nächstmöglichen Gegenstand oder die Person neben sich zu greifen.“ Die Zuschauenden packten ihre Taschen, Mobiltelefone, Wasserflaschen, die Hände ihrer Liebsten. „So geht es Menschen, die flüchten müssen, weil plötzlich Bomben fallen. Sie packen die Sachen grad neben ihnen und rennen.“

An der Podiumsdiskussion im Zürcher Kino Frame kam auch zur Sprache, dass UNHCR, der UN-Flüchtlingsorganisation, leider das Geld fehlt, um wirklich so zu helfen, wie es nötig wäre. „Nur ein Viertel des benötigten Budgets ist gesichert“, erklärte Petros Mastakas, UNHCR Durable Solutions Officer, “wir brauchen dringend Spenden.“ Ohne diese sei es unmöglich zu helfen. Aber nicht nur Geld mache einen Unterschied. Es sei genauso wichtig, sein Herz zu öffnen für die Vertriebenen im Sudan und keine falschen Ängste zu haben. „Diese Menschen sind Opfer eines Krieges. Sie bringen den Krieg nicht mit, sie rennen weg vor ihm.“  

Der Abend endete mit interessierten Fragen aus dem Publikum, viel Applaus und Hoffnung. Die Filmemacherin Hind Meddeb ist überzeugt: “Die Sudanesinnen und Sudanesen sind bereit, zurückzukommen und ihr Land neu aufzubauen. Dieser Krieg kann nicht ewig andauern.“  Und auch el-Wathig el-Gozoli von der Sudanese Swiss Charity pflichtete ihr bei: „Ich bin überzeugt, dass diese engagierten Menschen eines Tages erreichen werden, was sie wollen.“

Öffnen auch Sie ihr Herz für die vertriebenen Sudanesinnen und Sudanesen und informieren sich hier über diese Notfallsituation.

Mit einer Spende können Sie unsere Hilfe für diese Menschen unterstützen, wir danken Ihnen sehr dafür.

Und wenn Sie sich unsere ganze Podiumsdiskussion am Zürich Film Festival anschauen möchten, dann finden Sie hier das Video dazu.