Mi., 23.04.2025 - 13:34

An der letzten Ausgabe des Zurich Film Festivals hatten wir die Gelegenheit, mit Petros Mastakas zu sprechen. Er arbeitet seit 25 Jahren bei UNHCR, der UN-Flüchtlingsorganisation, und ist derzeit Leiter für dauerhafte Lösungen. Er hat Krisen miterlebt, die Millionen Menschen zur Flucht gezwungen haben, unter anderem während seiner Zeit in Darfur, Sudan, von 2004 bis 2006, und nun erneut im aktuellen Konflikt. Dieser letzte, sagt er, sei von einer nie dagewesenen Brutalität. 

Zwischen September und Dezember 2023 war er in Tschad im Einsatz, wo er den Zustrom von Hunderttausenden Flüchtlingen aus dem Sudan miterlebte – Menschen auf der Flucht vor einem Krieg, der zwei Jahre nach seinem Ausbruch im April 2023 in ohrenbetäubendem Schweigen andauert. 

“Die Gräueltaten sind unvorstellbar”, sagt er. Seine Botschaft ist klar: Wir dürfen nicht die Augen verschliessen vor dem, was dort geschieht. 

Sudanesische Flüchtlinge bereiten sich auf ihre Verlegung nach Dugui vor, einem vom UNHCR neu errichteten Lager.

Eine Flucht durch die Wüste

An der Grenze zwischen Sudan und Tschad gibt es keine Zäune, keine Kontrollposten – nur Sand, soweit das Auge reicht. Genau hier sind ganze Familien, erschöpft und ausgehungert, nach Tagen des Marschierens unter extremen Bedingungen zusammengebrochen. 

Petros Mastakas erinnert sich an eine Beobachtungsmission: “Wir fanden zwei zehnjährige Jungen, die im Sand lagen, halb im Koma vor Erschöpfung, Hunger und Krankheit.” Sie wurden dringend in ein Ernährungszentrum gebracht, überlebten und konnten später mit ihrer Familie wiedervereint werden. “Aber sie hatten Glück. Andere nicht.” Wären sie an diesem Tag nicht gefunden worden, hätten sie nicht überlebt. 

Wie hilft UNHCR den Flüchtlingen aus dem Sudan?

Die ersten, die den Vertriebenen halfen, waren die Menschen im Tschad. Sie streckten den sudanesischen Flüchtlingen die Hand entgegen. In einem Land mit ohnehin knappen Ressourcen teilten sie das Wenige, das sie hatten: etwas Wasser, ein Dach über dem Kopf, eine Mahlzeit.

Schulen und Moscheen öffneten ihre Türen, lokale Ärztinnen und Ärzte behandelten Verletzte und Überlebende sexueller Gewalt.

Angesichts des Ausmasses der Krise wandten sich die tschadischen Behörden an UNHCR und andere humanitäre Organisationen. Diese entsandten Teams, verteilten Nahrungsmittel, medizinische Hilfe und Überlebensausrüstung.

Doch die Herausforderungen bleiben gewaltig. Die Mittel sind nach wie vor unzureichend, und die Hilfe hängt vollständig von verfügbaren Spenden ab. Je mehr Beiträge eingehen, desto mehr kann UNHCR helfen, und Leben retten.

Bis heute wurden fast 13 Millionen Menschen durch die Krise vertrieben, und hinter jeder dieser Zahlen steht eine Geschichte unvorstellbarer Gewalt.

Sudanesische Flüchtlinge, die vor den in ihrem Land herrschenden Feindseligkeiten fliehen, suchen Zuflucht in der Region Tschad.

Sudan: Extreme Gewalt

Bombardierungen, Massaker, Vergewaltigungen: jene, die aus dem Sudan fliehen, tragen die Spuren eines erbarmungslosen Kriegs. 

Petros erklärt:

“Frauen und Mädchen werden vergewaltigt. Jungen werden verstümmelt. Bewaffnete Gruppen schneiden ihnen die Finger ab, im Glauben, dass sie dann keine Waffen mehr tragen können.”

Die Menschen flüchten vor Angriffen bewaffneter Gruppen und vor extremer Gewalt. Auf ihrer Flucht erfahren sie Belästigung, weitere Gewalt und schwere Menschenrechtsverletzungen – Gräueltaten, die dokumentiert sind. Ihr Leid ist unvorstellbar.

Petros Mastakas hat schon viele Konflikte miterlebt. Und doch sagt er: In 25 Jahren humanitärer Arbeit habe ich nie ein solches Ausmass sexueller Gewalt gesehen.”

Man wagt sich kaum vorzustellen, wie die Realität vor Ort aussieht.

Eine unsichtbare Krise: warum spricht niemand über den Sudan?

Trotz des Ausmasses der Krise – warum erhält der Sudan so wenig Aufmerksamkeit? Warum verschwindet ein so verheerender Krieg von unserem Radar?

“Wir leben in einer weltmüden Gesellschaft, die Krisen überdrüssig ist. Aber nur weil ein Konflikt jahrelang dauert, heisst das nicht, dass das Leiden aufgehört hat.”

Die Millionen von Vertriebenen verdienen es nicht, vergessen zu werden. Darunter Frauen, die versuchen, ihren Körper und ihre Würde nach einer Vergewaltigung wiederaufzubauen. Kinder, die gegen Unterernährung kämpfen. Väter, die alles verloren haben.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten von einem Tag auf den anderen alles zurücklassen, ohne Wasser, ohne Essen, ohne Ziel. Das ist kein fernes Szenario. Es ist die Realität von Millionen Menschen.” 

Es ist entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft diese Menschen nicht vergisst. Sie brauchen weiterhin unsere Hilfe.

“Meine 25 Jahre Erfahrung haben mir gezeigt: Das kann jederzeit und überall passieren. Egal, in welchem Land wir leben. 

Was kann die Schweiz für den Sudan tun?

Humanitäre Hilfe macht einen Unterschied im Leben der Flüchtlinge und der Aufnahmegesellschaft. Mit mehr Mitteln könnte UNHCR neue Brunnen bohren, um in den Flüchtlingscamps sauberes Trinkwasser bereitzustellen, mehr Nahrungsmittel an schutzbedürftige Kinder, Frauen und Männer verteilen und mehr medizinische Hilfe für Überlebende leisten.

Einfache Gesten zählen.

  • Sich erinnern. Diese Krise nicht in Vergessenheit geraten lassen.
  • Spenden. Jeder Beitrag, auch ein kleiner, kann ein Leben retten.
  • Aufklären. Diese Geschichten weitergeben, über den Sudan sprechen, nicht die Augen vor dieser Krise verschliessen.

“Behalten Sie ein offenes Herz für sie.”

Die Flüchtlinge zählen auf uns. Auf Sie.